Theorie und Praxis der Ästhetik in der internationalen Politik: Vortrag zum Welthumanistentag von Dr. Nadim Sradj

Sradj bei Ausführungen über seine Wahrnehmungslehre
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Schönheit hat für den Augenarzt und studierten Philosophen Dr. Nadim Sradj u.a. mit Idealen zu tun und geht mit Kommunikation und Konvergenz im Sinne von Verbindendem einher. Zur Begehung des Welthumanistentags durch den Bund für Geistesfreiheit (bfg) Regensburg passte ein Vortrag über seine sinnesphysiologische und sinnespathologische Ästhetik, eine eigene Wahrnehmungslehre, daher besonders gut. Vor kurzem ist ein Buch hierüber erschienen und hat er den Rückhalt eines Kandidaten für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten, Herrn Hubert Thurnhofers, gewonnen. Bei der Veranstaltung am 21.06.2022 im Dechbettener Hof in Regensburg stellte sich der Referent auch einer Diskussion.

Welche Wahrnehmungsarten vorkommen, hat Sradj aufgeschlüsselt und mithilfe eigener, selbsterklärender sprachlicher Ableitungen vom Wort „Ästhetik” als Basis beschrieben. Was er genau unter Ästhetik, An-Ästhetik und Anti-Ästhetik versteht, bildete den Einstieg in seinen konzisen Vortrag. Der Elementarprozess der Wahrnehmung im weiten Sinn wurde im Anschluss in einem Reiz-Reaktions-Schema analysiert, wobei der Begriff des Reizes erweitert war auf Größen in den Bereichen Raum, Zeit und Bewusstsein selbst, d.h. Grenzen, Bewegungen und Metawissen. Mit der vorgestellten Herangehensweise wurden reale Einzelreize und ausgelöste Vorgänge untersucht, was Sradj u.a. anhand eines von der CSU verkannten Bewusstseinswandels und deren Verlusts der absoluten Mehrheit tat. Abschließend beschrieb er politische Ästhetik als bestimmt von Werten statt Interessen und schlug den Bogen zu einer Weltästhetik, die als Teil der Welt Lebewesen außer dem Menschen ebenfalls umfasst.

Erwin Schmid als Vorsitzender des bfg Regensburg leitete zur Diskussion über, indem er aufzeigte wie notwendig für Verbesserungen im sozialen Bereich ein Ansetzen bei Ursachen ist und dass Sradjs Ästhetik ebendieses leistet. Einigen Raum nahm ein verbreitetes Missverhältnis von Macht und Wahrnehmung ein, auf das mit einer Verschiebung von Interessen hin zu Werten reagiert werden kann. Als Positivbeispiel einer durchgängigen Wertorientierung führte Sradj Helmut Schmidt an, der die Ästhetik seiner Gegenwart erfasst hatte.

Zur eigenen fachlichen Verortung, insb. in der systematischen Philosophie, und dem philosophischen Diskurs, dessen Rahmenbedingungen und Anschlussfähigkeit für politische Wissenschaft vermittelte Sradj weiterführende Information. Die Aufmerksamkeit im Fach falle teils sehr selektiv aus, so habe ein Regensburger Professor in einem sechshundertseitigen Lehrbuch der Ästhetik keine Referenz auf Adorno und Lukacs. Sradj wiederum greift diese sehr wohl auf. Ein Teilnehmer der Veranstaltung mit Kunststudium und Migrationshintergrund brachte eigene interkulturelle Erfahrungen ein. Weitere Wortmeldungen betrafen Anstrengungen für einen „Lückenschluss” zwischen Sradjs Theorie der Ästhetik und der politschen Realität. Eine verbindende Absicht und Chance wurde gegen Ende hin noch einmal sehr konkret deutlich, als Sradj sinngemäß sagte: „Die Ode an die Freude bringt näher zusammen als Politik.”