Sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus setzen: Kirchen sollen "Judensau"-Plastiken in ganz Deutschland entfernen

Antijüdische Schmähskulptur an der Nürnberger Sebalduskirche - Foto: Wolfram Kastner
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Am 14. Juni 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die antijüdische Schmähplastik, besser bekannt als sog. „Judensau“ weiter an der Wittenberger Stadtkirche hängen darf. Das mittelalterliche Sandsteinrelief zeigt ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die durch ihre Kleidung als Juden erkennbar sind. Ein Rabbiner schaut dem Schwein, ein im Judentum als unrein geltende Tier, in den After. Michael Düllmann, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte auf Abnahme des Reliefs geklagt, durch das er sich beleidigt, verhöhnt und erniedrigt sieht.
An deutschen Kirchen gibt es über 25 solcher Skulpturen, Reliefs oder auch Wasserspeier, die Juden verhöhnen und verächtlich machen. Sie stammen aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert und sind Ausdruck einer extremen Judenfeindschaft. Wir finden sie am Kölner Dom, am Regensburger Dom, an der Nürnberger Sebalduskirche oder an der Bayreuther Stadtkirche, worauf der Aktionskünstler Wolfram Kastner, Mitglied im Vorstand des Bundes für Geistesfreiheit München
, seit vielen Jahren hinweist. Er fordert ihre Abnahme.
 
Obwohl BGH-Richter Stephan Seiters in der mündlichen Verhandlung am 30 Mai 2022 das Relief als „in Stein gemeißelten Antisemitismus“ bezeichnete, darf es nun hängen bleiben. Die Richter*innen teilten in in ihrem Urteil mit, dass sie keine "gegenwärtige Rechtsverletzung" erkennen können, weil sich die Lutherkirche von der diffamierenden und judenfeindlichen Aussage des Reliefs in Form einer Bodenplatte und einem Aufsteller vor Ort distanziert habe.
Das Urteil hat nicht nur Auswirkungen auf die Lutherkirche in Wittenberg, sondern auch auf die vielen antijüdischen Schmähplastiken an Kirchen in ganz Deutschland.
Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner fordert hingegen seit Jahren die beiden großen Kirchen auf, endlich ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen und die sog. "Judensau"-Skulpturen, Reliefs etc. zu entfernen und sie stattdessen ins Innere der Gebäude zu nehmen (am 14. Juni 2022 aktualisierter Beitrag vom 2. Februar 2021)